Gastbeitrag: Mein schwarzes Wüsten-Fohlen Samaan

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Samaan Ibn Leil

Mein Name ist Nadine, und ich möchte Euch gerne einen Einblick in meinen Alltag mit meinem kleinen schwarzen Vollblutaraber Fohlen geben. Dazu möchte ich zuerst grob die Geschichte erzählen, wie ich Samaan, respektive wie Samaan mich gefunden hat: Es war im Winter 2014 und ich spielte schon eine Weile mit dem Gedanken, mir ein eigenes Pferd zu kaufen. Da ich ein paar schräge Erfahrungen mit Reitbeteiligungen gemacht habe, hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass es sicherlich ein junges Pferd sein musste, dass ich genau so aufziehen und ausbilden konnte, wie ich es für mich und mein Pferd für richtig hielt. Eine gute Freundin hat mir dann das Inserat von Samaan geschickt und so fuhren wir an einem sehr winterlichen Sonntag im Februar nach Olten, um den kleinen Mann zu besuchen. Drei Stunden stand ich in dem kalten Stall, Samaan ist mir unzählige Male auf meine Schuhe gestanden, hat mir sogar mit seinen kleinen Beisserchen die Schnürsenkel geöffnet. Da wars dann definitiv um mich geschehen. Ich fuhr nach Hause und obwohl ich im Kopf dann noch drei Tage und Nächte hin und her studieren musste, war die Entscheidung in meinem Herzen schon an diesem Sonntag gefallen. Drei Tage später stimmte ich dem Kauf zu und so hatte ich innerhalb von drei Tagen ein Fohlen gekauft. Zu diesem Zeitpunkt natürlich noch völlig unwissend, was da alles auf mich zukommen wird… 😉

 

Der Umzug

Drei Monate später war es dann soweit und ich durfte Samaan bei der Züchterin abholen. Wir hatten alles bis ins Detail geplant. Ich hab in den vorangehenden drei Monatenreichliches Vertrauens- und Führtraining gemacht und mir schien es, als sei dies für Samaan alles kein Problem. Doch ich sollte schon hier zum ersten Mal deutlich feststellen, dass gut gemeinte Pläne mit einem Fohlen, nicht immer plangetreu in die Wirklichkeit umgesetzt werden können. Samaan wollte nämlich mit keinem seiner kleinen Hufe den Stall verlassen, geschweige denn, einen davon in den Pferdeanhänger setzen. Wir übten nicht enden wollende vier Stunden, bis ich einsehen musste, dass er wohl den härteren Sturkopf besitzen würde, als ich das tue. So kam es, dass ich Samaan nur mit Hilfe des Notfalltierarztes (es war Sonntag) und einer Sedation, in den Anhänger „tragen“ konnte. Den Umzug überstand er sonst gut und mir hat diese Erfahrung zum ersten Mal gezeigt, dass ich von nun an alle Pläne immer gemeinsam mit meinem kleinen Monster schmieden musste, wenn ich auf seine Mitarbeit und Kooperation zählen wollte.

Am neuen Stall angekommen, liess ich Samaan dann noch im gleichen Sommer legen, weil zu seinem, von mir durchaus geschätzten starken Charakter, dann auch noch die Hormone dazukamen. Diese Hormone erschwerten ihm das Denken und damit auch unsere Zusammenarbeit. Die Kastration überstand er problemlos und ich durfte schon bald merken, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist, da Samaan tatsächlich ruhiger, durchdachter und „gesetzter“ im Umgang war. Nach seiner Rekonvaleszenz setzte ich den Schwerpunkt darauf, dass er einfach gerne an meiner Seite ist: Führtraining auf dem Platz, gemeinsames Spielen, erste kleine Spaziergänge und ausgiebiges Putzen waren unser Programm. Selbstverständlich liess ich immer mehrere Pausen-Tage zwischen den einzelnen „Trainingseinheiten“, damit er das Gelernte auch verarbeiten konnte. Als er dann eines Tages von der Weide angaloppiert kam, als ich seinen Namen rief, war dies ein enorm emotionaler Moment. Ich merkte, dass mein Fohlen es schätzte, Zeit mit mir zu verbringen und dieses Gefühl machte mich unglaublich stolz!

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Erste Versuche an der Hand zu traben

Ein weiterer Umzug steht bevor

Der Herbst kam und ich wollte Samaan noch gerne vor dem Wintereinbruch zu mir in die Nähe, auf eine Fohlenweide holen. Da ich wusste, wie das letzte Verladen in den Pferdeanhänger verlief, bestellete ich eine liebe Trainerin, die uns an diesem Tag helfen sollte, Samaan in den Pferdeanhänger zu führen. Entgegen aller meiner Erwartungen liess sich Samaan an der Hand der Trainierin jedoch innerhalb von 10 Minuten verladen und ich durfte feststellen, dass sich das Vertrauenstraining der letzten Monate auszahlte. Ich war schon glücklich, habe jedoch „meinen Plan“ wieder nicht bis zum Ende durchdacht: So kam es, dass Samaan unglaublich Angst vor dem Anhänger FAHREN hatte. Auf der ersten Kreuzung gab es einen riesen Knall und als ich voller Panik die Tür zum Pferdeanhänger öffnete, war Samaan gestiegen und hatte sich mit beiden Vorderbeinen über die vordere Stange im Anhänger verkeilt. Ich brach in Tränen aus und rechnete bereits mit dem Schlimmsten. Doch Samaan schaffte es, sich durch erneutes Steigen wieder zu befreien. Ich lud mitten auf der Kreuzung im Feierabendverkehr mein schweissgebadetes und von vielen Schrammen gezeichnetes Fohlen aus und wir liefen gemeinsam mit blanken Nerven zurück zum Stall. Ich habe wiederum gemerkt, dass Samaan einem einfach nichts schenkt und so musste ich ihn ein zweites Mal mit einer leichten Sedation transportieren.

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Meine grosse Liebe!

Der Winter auf der Fohlenweide war dann etwas ruhiger. Samaan hatte neue Freunde gefunden, mit denen er spielen konnte. Ich fuhr weiter mit meinem Fohlenprogramm: putzen und still stehen üben, Hufe auskratzen, erste Begegnungen mit dem Hufpfleger, viele Spaziergänge mit vielen „bösen Begegnungen“ wie Hunde, Briefkästen, Autos oder Monster im Wald. Samaan begann, mir immer mehr Vertrauen zu schenken und obwohl es immer wieder auch Tage mit Rückschlägen gab, hat sich unsere Beziehung in dieser Zeit nochmals enorm vertieft.

Pferdegerechtes Zuhause mit vielen Pferde-Freunden

Seit letztem Herbst steht Samaan nun in einem Aktiv- und Bewegungsstall, in dem er sich 24 Stunden am Tag frei bewegen kann, eigenwillig entscheiden kann, wann er sein Kraftfutter (computergesteuerte Fütterung) frisst und wann er sein Heu zu sich nehmen möchte. Oder, wann er sich in der einladend grossen Liegehalle ausruhen will. Er steht dort in einer gemischtaltrigen Herde, bestehend aus 11 Pferden unterschiedlicher Rassen. Seit dem Umzug hat Samaan an Masse gewonnen, ist selbstsicherer geworden und spielt nun mit jedem seiner Pferdefreunde – ein Verhalten, das ich so auf der Fohlenweide nicht beobachten konnte. Da wir jetzt ein grosses Roundpen zur Verfügung haben, mache ich mit ihm regelmässig (jedoch höchstens zwei Mal pro Woche) ganz einfache Grundübungen vom Boden aus. Ich habe solche Freude an seiner Aufmerksamkeit, an seiner Neugier und bin immer wieder erstaunt, wie viel er von sich aus anbietet. Das „an der Longe gehen“ habe ich vorher nie mit ihm angeschaut; eines Tages führte ich ihn wie gewohnt am langen Seil und plötzlich ist er ganz selbstverständlich um mich herum an der Longe gelaufen. Seine ganze Entwicklung seit dem Umzug, ist für mich Beweis genug, dass eine pferdegerechte Haltungsform die wichtigste Grundvoraussetzung für eine gute Pferde-Mensch-Beziehung ist.

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Samaan mit seiner Herde im vollen Galopp

Gemeinsam die Zeit geniessen und sich gegenseitig Stärken

Allgemein kann ich zum Umgang mit Samaan sagen, dass es in erster Linie eine grosse Arbeit an mir selbst ist: Ich musste lernen, meinen Ehrgeiz, meine festgefahrenen Haltungen und Erwartungen aufzugeben und mehr im Moment zu leben. Wenn ich heute an den Stall fahre, habe ich im Gegensatz zu früheren Zeiten keinen „festen Plan“ im Kopf. Ich erkenne Samaan als Wesen mit all seinen unterschiedlichen Launen und Emotionen und entscheide dann GEMEINSAM mit ihm, was für uns heute passt und was eben nicht. Mir ist wichtig, seine Autonomie zu wahren und bin mir auf der Gegenseite aber auch bewusst, dass nur ein gesundes Mass an Konsequenz und Disziplin zum gewünschten Verhalten und damit zum Erfolg für uns Beide führen kann. Ich arbeite fast ausschliesslich mit der positiven Verstärkung und bin überzeugt, dass diese uns auch auf unserem weiteren Weg zum tollen Freizeitpferd-Reiter-Paar unterstützen wird. Samaan ist mein Spiegel und ich habe gelernt, bei herausforderndem Verhalten seinerseits, erstmals bewusst meine jeweilige Haltung und Einstellung zu hinterfragen, bevor ich den Fehler ihm zuschreibe. Erst so kann ein „gemeinsames Arbeiten“ entstehen und genau dieses führt schliesslich zu der von mir gewünschten Harmonie zwischen uns. Unsere Beziehung ist für mich der zentrale Punkt; alle „reiterlichen Ziele“ sind erstmals sekundär, wobei anzumerken ist, dass ich davon überzeugt bin, dass durch die Voraussetzung der oben genannten Harmonie jene Ziele mit der nötigen Geduld und Zeit in jedem Fall erarbeitet werden können.

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Ein Handpferd-Ausritt mit Samaan und dem sehr geduldigen Freiberger Largo

Samaan ist für mich mein wahrgewordener Mädchentraum und ich werde alles daran geben, dass er unsere gemeinsame Zeit (ich vermeide bewusst das Wort „Arbeit“) genauso schätzt, wie ich das tue – mein für mich schönster schwarzer Wüstenprinz!

– ein Gastbeitrag von Nadine über das Leben mit ihrem Vollblutaraber Fohlen Samaan

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